#15 Der Bote

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Ich habe immer gedacht, dass mein erstes Haustier ein Hund sein wird, doch dann wurde es anders. Als Kind hatte ich nie einen kleinen Gefährten, auch wenn ich es mir stets gewünscht habe. In meinen eigenen vier Wänden wollte ich das ändern. Es ist nun 12 Jahre her, dass ich aus meinem Elternhaus ausgezogen bin und meine Katze ist jetzt 11 Jahre alt.

Tja, paradox, oder?

Ich wollte gerne einen Hund, doch es wurde eine Katze. Das lag einfach daran, dass ich kein Haus mit Grundstück besessen habe und wiederum die meiste Zeit meines Alltags bei der Arbeit oder sonst wo unterwegs war. Unsere Mieze musste ich nicht mehrmals täglich ausführen und ihretwegen auch nicht auf Urlaub verzichten. Es ist schlichtweg so, dass man mit einem Hund mehr Zeit aufwenden muss als mit einer Katze.

Ich liebe meine Kuschelmieze und ich höre sie auch jetzt gerade an der Tür scharren, da sie zu mir ins Zimmer möchte. Ja, sie ist mit nach Uruguay gezogen. Tatsächlich haben wir sehr lange überlegt, wie und ob wir sie nach Südamerika mitnehmen. Auf dem Schiff waren keine Haustiere erlaubt, und sie über einen Tiertransportdienst separat reisen zu lassen, war uns viel zu teuer. Gut, dass meine Schwiegermutter nur wenige Monate nach unserem Umzug unsere neue Heimat erkunden wollte. So konnte unsere Katze in der Übergangszeit bei ihr leben und dann im Handgepäck mit nach Uruguay fliegen.

Sie, die Katze (und natürlich auch meine Schwiegermutter =D), hat den Flug überraschend gut überstanden und nach einigen Stunden im neuen Haus war sie wieder wie früher. Als wären keine Monate der Trennung gewesen, keine Tagesreise, die eine Autofahrt, drei lärmende Flughäfen in Deutschland, Spanien und Uruguay, und eine erneute Autofahrt mit einem komplett konversen Klima beinhaltete, vergangen. Nicht schlecht für eine so reife Dame.

In ihrem neuen Heim traf sie dann auch auf ein neues Familienmitglied: Maja, einen Hundewelpen. Zu dieser Zeit war der Hund etwa genauso groß wie die Katze. Und es war sofort klar, wer hier das Sagen hat. Maja wurde direkt eingenordet und trotzdem kann sie es bis jetzt nicht lassen unsere Mieze zu ärgern und zum Spielen zu animieren. Mittlerweile ist die Hündin bei weitem größer.

Ja, du liest richtig. Da kam der lang ersehnte Familienzuwachs, eine Border Collie-Hündin. Als nach unserer Ankunft in Uruguay etwas Ruhe eingekehrt war, schauten wir uns nach der passenden Rasse für uns um. Jetzt haben wir ausreichend Platz für einen Hund. Wir haben einen Garten, einen Wald vor der Tür und wir arbeiten beide im Homeoffice, sodass wir regelmäßig Zeit für Spaziergänge haben. Zudem ist unser Ziel als Selbstversorger auf einem Bauernhof zu leben, und dazu gehören auch Hunde. Diese sollen nicht nur als Kuscheltiere und Spielkameraden da sein, sondern eine Aufgabe erfüllen. Denn zu uns kommen keine Haustiere mehr, sondern nur Nutztiere.

Also, welche Eigenschaften sollte unser Hund erfüllen?

Er sollte ein friedliches Wesen haben, da unsere Kinder noch klein sind. Es soll kein klassischer Wachhund sein, sondern eher ein Hütehund, der auf die Tiere und Menschen Acht gibt, ohne extremen Angriffsinstinkt. Auch sollte es ein Weibchen sein, da ich mir durch die Mutterinstinkte einen besseren Umgang mit meinen Kids versprochen habe. Zudem war uns klar, dass es nicht bei einem Hund bleiben wird. Wir starten also mit einem Border Collie.

Hier in Uruguay gibt es unfassbar viele Hunde und auch sehr viele Straßenhunde. Damit musste ich auch erst lernen, umzugehen. So gut wie jeder hat mindestens einen Hund. Ein Hund ist auf einem Grundstück fast unerlässlich. Sie sind hier gleichzeitig die Alarmanlage und Klingel. Elektronische Alarmanlagen gibt es hier zwar bei vielen Häusern, gerade bei denen, die nur über die Feriensaison bewohnt sind, aber eine Klingel gibt es bestimmt nur in den größeren Städten und Mehrfamilienhäusern. Die meisten haben aber ein kleines Haus auf einem eigenen Grundstück.

Und wie macht man sich bemerkbar, wenn es keine Klingel gibt?

Ja, da gibt es mehrere Möglichkeiten: Du kannst eine Kurznachricht schreiben, dass du vor der Tür stehst, mit dem Auto oder Roller hupen oder einfach klatschen. Lustig, oder? Es ist hier vollkommen normal, wenn jemand vor dem Zaun steht und klatscht. Eine simple Lösung, die keinerlei Technik bedarf und sogar Kalorien verbraucht. Schlussendlich sagt dir aber der Hund schon vorher Bescheid, dass jemand am Zaun steht.

Die Auswahl für die Rasse war getroffen, doch wie kommen wir an den Hund?

Als wir uns für Uruguay als Auswanderungsziel entschieden haben, bin ich auf eine Familie auf YouTube gestoßen, die ihre Auswanderung dokumentiert hat. Über diesen Kontakt sind wir einer Community beigetreten, die sich über Allerlei, überwiegend per WhatsApp austauscht. Überaus praktisch und sehr hilfreich. Und so sind wir auch auf Maja gekommen.

Einen Tag nachdem wir uns für die Rasse und das Geschlecht entschieden hatten, schrieb jemand in die Gruppe, dass noch Hundewelpen ein Zuhause suchen, Border Collie-Mix, ein Weibchen und ein Männchen.

Klasse, oder? Wir hatten erst am Abend zuvor den Entschluss getroffen und da ist unser Mädchen. Das kann doch kein Zufall sein!

Uns war klar, das Mädchen auf dem Foto ist für uns bestimmt. Da begannen sich die Zufälle zu häufen. Und viele Ereignisse, von denen ich euch hier im Tagebuch erzählen werde, beginnen hier.

Zurück zum Hund. Ich habe die Besitzerin direkt angeschrieben und sie war so lieb, dass sie uns den Hund sogar nach Hause gebracht hat. Schließlich hatten wir noch kein Auto und die Strecke von 20 Autominuten waren es ihr wert sicherzustellen, dass die Hündin in ein gutes neues Heim kommt. Zügig haben wir alle notwendigen Dinge für Maja besorgt und am nächsten Morgen stand die Besitzerin mit der wertvollen Lieferung schon vor der Tür. Sie hatte als Begleitung ihre Freundin mitgebracht, die den Welpen während der Fahrt gehalten hat.

Ich hatte den Zaun noch nicht geöffnet, da sagte ihre Freundin zu mir: „Ihr seid doch Russland-Deutsche, oder?“ Sie hat das so freundlich und offen rübergebracht, dass ich erst lachen musste. Die Sympathie war sofort da. Wir kamen direkt ins Gespräch, ohne einen Umweg über Small Talk zu machen. Wir redeten darüber, wie es uns alle nach Uruguay verschlagen hat. Beide Frauen waren in unserem Alter, jedoch mit ihren Eltern und Geschwistern hier eingewandert.

Könnt ihr euch vorstellen, am anderen Ende der Welt zu sein und dann auf einen Menschen zu treffen, der ähnliche Wurzeln hat, die gleiche Sprache spricht, im gleichen Alter ist und ähnliche Werte vertritt?

Ich erinnere mich an diesen Moment noch genau, wie mein Mann innerhalb von Sekunden in ein Gespräch vertieft war, aus dem es unmöglich war, ihn zu unterbrechen. Wer meinen Mann nicht kennt: Er ist kein Mensch der vielen Worte, sondern sehr einfach und aufs Notwendigste begrenzt. Schlussendlich platzte es aus mir raus: „Es fühlt sich so an, als mussten wir uns begegnen!“ In diesem Moment bekamen wir alle Gänsehaut.

Wer jetzt denkt, wir hätten Stunden zusammengesessen und gequasselt, irrt sich. Es waren vielleicht 15 Minuten und die Mädels mussten schon wieder los. Doch wir versprachen uns, dass es nicht unser letztes Treffen war.

Einige Ereignisse müssen geschehen, damit sie einen weiterbringen. Manchmal bekommt man sogar einen Bot(t)en gesandt.

Mehr im nächsten Artikel …

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Eine Antwort zu „#15 Der Bote“

  1. […] Erinnerst du dich noch an den Artikel, in dem ich davon berichtet habe, wie wir unseren Hund Maja erhalten haben? Falls nicht, hier ist der Link zu dem Artikel. […]

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