#16 Maja

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Ich war immer überzeugt, dass es gut ist, wenn Kinder gemeinsam mit Tieren aufwachsen. Es tut der Seele gut, einen Partner an der Seite zu haben, der treu und immer bei dir ist, neben den Eltern natürlich.

Doch die Kinder und auch ich mussten erst einmal den Umgang mit einem Hund lernen. Ich bin kein Hundeprofi und ich denke, dass ich in der Erziehung meiner Katze auch einiges anders hätte machen können. Das Potenzial, Neues zu lernen, ist auf jeden Fall gegeben.

Als unser Hund Maja zu uns kam, war sie genau acht Wochen alt. Ein Baby auf vier Pfoten. Sie hat viel Liebe und Zuwendung gebraucht, zudem noch eine erziehende Hand. In einem Moment tobt der kleine Vierbeiner und im nächsten Moment schläft er im Gras. So goldig.

Die Phasen der Entwicklung erinnern mich nicht selten an die eines Kindes. Da ist die tapsige Phase, in der sie noch lernen müssen, die eigenen Gliedmaßen zu koordinieren, die trotzige Phase, in der sie ihre Grenzen austesten oder die rebellische Phase, in der sie auf Konfrontationskurs gehen und ihren Radius vergrößern.

Ja, in den vergangenen Monaten sind wir durch all diese Phasen gegangen und einige Tränchen sind da auch geflossen, gerade, wenn Menschenkind und Hundekind aufeinandertreffen. Nur zum besseren Verständnis: Bei uns allen sind Tränen geflossen, ob Hund, Mensch, Erwachsene oder Kind.

Meine Tochter hatte einige Wochen gebraucht, um einen Hund in ihrer Gegenwart zu akzeptieren, egal wie klein und kuschelig dieser auch sein mochte. Sie hatte bereits begonnen, auf drei Meter Entfernung zu schreien, und das lauthals. Die überschwängliche Freude der Hündin war ihr einfach zu viel. Nach etwa drei Wochen war der Spuk zum Glück vorbei und jetzt gibt sie Maja Kommandos, füttert sie oder besetzt ihre Hundehütte. Erst in jüngster Vergangenheit musste ich sie aus Majas Hütte holen, weil sie dort in Eigenregie eine Mahlzeit aus Hundefutter und Wasser hergestellt hat. Ich weiß nicht, ob sie es auch selbst gegessen hat. Ich hoffe nicht. Unsere Hündin ist danach wie ein Staubsauger durch die Bude gefahren. Das zermatschte Futter hatte sie weniger gestört als mich.

Bei meinem Sohn war es da ganz anders. Mit der Ladung Power, die er im Körper hat, muss man erst umgehen lernen. Er selbst sagt, dass er fünf Batterien hat. Bei einem Hundewelpen musste ich da einen Blick auf alle drei Kinder haben. Tja, beim Toben gibt es immer mal die eine oder andere Blessur, so auch bei Maja.

Es war dieser bekannte kurze Moment, in dem man wegschaut und genau dann passiert es. Ich höre nur ein Jaulen und Maja saust davon. Oh Mann, dachte ich nur. Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes. Ein Hund kann dir nicht erzählen, wo oder wie es wehtut. Doch zuerst mussten wir sie finden. Sie war weg, bis zum Abend war sie nicht auffindbar. Ich hatte schon das Schlimmste befürchtet … dass sie zum Sterben in den Wald geflohen ist … Ein großes Kopfkino hatte bei mir begonnen.

Schlussendlich hat mein Mann sie unter dem Haus gefunden. Das Haus steht auf einem erhöhten Fundament, sodass man auch unter das Haus gelangen kann. Maja hat sich im Sommer immer dort vor der Sonne versteckt und oftmals haben wir dort auch unsere vermissten Schuhe wiedergefunden. Diesmal war sie aber bis in die hinterste Ecke gekrochen, wo der Abstand zwischen Erde und Haus nur maximal 30 Zentimeter ist. Mein Mann ist auf dem Bauch unter das Haus gekrochen, um die herauszulocken, doch scheinbar hatte sie zu große Schmerzen bei der kleinsten Bewegung. Wir konnten nicht einschätzen, wie es um sie steht, daher beschlossen wir, die Kinder zuallererst ins Bett zu bringen und sie dann in Ruhe herauszuholen und zu untersuchen.

Ich war fix und alle. Erst jetzt wurde mir so richtig bewusst, wie sehr ich dieses kleine Wesen liebte. Bereits vom ersten Augenblick an. Ich flehte innerlich, dass alles wieder gut werden wird, dass es nicht so schlimm ist, wie es scheint.

Wir bastelten eine Art Trage, auf der sie unter dem Haus hervorgezogen werden konnte. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam mein Mann unter dem Haus hervorgekrochen, mit einer Lampe auf der Stirn und Dreck am ganzen Körper. Zu Hause tasteten wir sie ordentlich ab, um festzustellen, was ihr fehlt. Gut, dass mein Mann Sanitäter war, zwar nicht für Tiere, aber er konnte gut einschätzen, was ihr fehlte. Es war kein Bruch oder Ähnliches. Scheinbar eine Prellung der hinteren Pfote.

Ich war so dankbar! Einfach nur dankbar, dass es nichts Ernstes war. Klar, sie hatte Schmerzen und offenbar große. Doch auch die würden vergehen.  Wir bauten ihr im Wohnzimmer eine kleine kuschelige Höhle, in der sie sich zurückziehen konnte, mit Wasser und Futter.

Ganz viel Schmusen hilft offensichtlich auch Welpen, schnell wieder gesund zu werden. Am nächsten Morgen tapste sie bereits auf drei Pfoten durch das Haus. Was für ein Segen! Die nächsten Tage umsorgte mein Sohn sie mit Futter, Kuscheleinheiten und ruhigeren Spielen, bis sie wieder fit war.

Wirklich, ich hätte nicht gedacht, dass mir das Wohlergehen von Maja so am Herzen liegt. Nicht nur, weil sie sich verletzt hatte, sondern auch in anderen Situationen.

Einmal ist sie durch den Gartenzaun ausgebüxt, aus Trotz, weil sie nicht zum Einkaufen mitgehen durfte. Wie ein Kind, kaum zu glauben! Da sie noch so klein war, konnte sie einfach unter den Zaun kriechen.

Und auch hier war sie bis zum Abend verschwunden. Doch meine Befürchtung war eine andere.

Genau an diesem Tag hatten wir ihr das Halsband abgenommen. Und wenn hier ein Hund allein ohne Halsband herumläuft, dann ist es ein Streuner. Von denen gibt es hier sehr viele. Nur wenn es ein so niedlicher Welpe ist, dann wird ihn bestimmt jemand mitnehmen, war mein Gedanke. Gerade auch, da ein starkes Gewitter angesagt war.

Meiner Intuition kann ich in solchen Situationen vertrauen. Jemand hat sie mitgenommen, weil er dachte, sie hätte kein Zuhause. Denn Maja kennt den Weg nach Hause und sie mag die Dunkelheit nicht. So wäre sie bei der Abenddämmerung wieder demütig vor der Tür angetanzt, wenn sie gekonnt hätte.

Ich spreche da aus Erfahrung, denn gelegentlich trifft sie sich mit einem Spielkameraden und vergisst alle Regeln. (Oh Mann, das klingt echt wie ein Menschenkind XD. Aber genauso war es.)

Der Gedanke, dass jemand Fremdes sie mitgenommen hat, ließ mich nicht los, sodass ich beschloss, unserem Einwanderungshelfer zu schreiben, der nur einige Häuser weiter wohnt. Er stellte ein Foto und eine Beschreibung in die WhatsApp-Gruppe der Nachbarschaft.

Und siehe da: Am nächsten Morgen stand sie patschnass vor der Terrassentür. Total happy, mit rundem Bauch, da sie kräftig gefüttert wurde. So wie sie wirkte, war sie höchst mit ihrem Ausflug zufrieden, aber trotzdem froh, wieder zu Hause zu sein. Sie schleckte uns alle ab und auch wir waren überglücklich, sie wieder bei uns zu haben, dass erneut Tränen geflossen sind, doch dieses Mal vor Freude.

Es ist schon beeindruckend, welche Bindung man zu einem Tier aufbauen kann. Oftmals lässt sich diese mit einer menschlichen Beziehung vergleichen, obwohl wir nicht die gleiche Sprache sprechen und auch nicht der gleichen Rasse entsprechen. Das, was uns verbindet, ist etwas Elementares, was grenzenlos und bedingungslos ist. Es lässt sich nicht anfassen, mit Geld oder Gegenständen aufwiegen oder ersetzen. Es ist das Wichtigste, was wir anderen geben oder empfangen können.

Es ist die Liebe.

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