#6 Kisten über Kisten

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Ich verfluche bereits dieses Wort, Kiste. Das Packen hat mir sehr viel Energie geraubt. Ich hoffe, in Zukunft diese wieder ausgleichen zu können.

Wie lief also unser Umzug?

Wir hatten uns entschlossen, so viel wie nötig und so wenig wie möglich mitzunehmen. Das heißt, dass alles, was zu schwer, sinnfrei oder leicht ersetzbar ist, weggeht. Weg bedeutet in diesem Fall: verkaufen, entsorgen oder verschenken bzw. spenden.

Ebay Kleinanzeige hat vor Anzeigen geblüht und ich kam mir schon wie ein Händler vor. Ich dachte, es würde besser laufen. Sehr viel mussten wir unter Wert verkaufen, da wir in Deutschland wörtlich im Konsum baden. Geprägt von Amazon und Co. soll alles am besten nichts kosten und morgen geliefert werden.

Wobei nichts kosten auch nicht so das wünschenswerteste Szenario ist. Ich habe eine Eigenart, ein Verhaltensmuster beobachtet. Wir fliegen auf Dinge, die zu verschenken sind, und doch erliegen wir dem Drang, etwas zurückgeben zu müssen.

Konkret sieht es so aus: Anzeigen, die ich auf Ebay geschaltet habe, habe ich regelmäßig überarbeitet, falls sich der Gegenstand nicht verkauft hat. Mit dem Preis bin ich zum Teil in den einstelligen Bereich gerutscht. Wenn das nicht half, mich des Gegenstands zu entledigen, bot ich es als Geschenk an. Dann war er weg wie kaltes Bier an heißen Sommertagen.

Jetzt kommt der Kniff.

Es ist für den neuen Besitzer dennoch schwer, ein Geschenk ohne Gegenleistung anzunehmen. So bekam ich immer ein Gegengeschenk in Form von Süßigkeiten.

Wie paradox und unwirtschaftlich. Warum kaufe ich einen gebrauchten Toaster für 5 Euro nicht und nehme ihn lieber als Geschenk entgegen? Als Gegengeschenk bringe ich drei Tüten Haribo mit, die den Wert des Toasters übersteigen.

Zum Lachen, oder? Vor allem, wenn man sich in diesem Muster wiedererkennt.

Ich hätte lieber das Geld gehabt als das Süße, denn unzählige Kalorien mehr zieren meine Hüften seit dem Umzug.

Es ist Stress pur. Und zum Ende hin konnte ich vieles nicht mehr verkaufen, auch wenn es noch Geld gebracht hätte. In erster Linie lag es nicht an der Zeit, sondern an der Lebensenergie, die mir das Ganze geraubt hat. Ich konnte diese Preisverhandlungen emotional nicht mehr stemmen. So kam es, dass wir viel an Familie und Freunden verschenkt haben.

Eine Art Hausflohmarkt zierte unsere ausrangierten Zimmer. Unzähliges kam in den Müll und alles andere wurde an unterschiedliche Organisationen gespendet. Es war erlösend. Je leerer unsere Wohnung wurde, umso leichter würde mein Gemüt.

Die Arbeit nahm aber irgendwie kein Ende.

Wir schliefen wochenlang auf dem Boden, besaßen keine Schränke oder Möbel. Der Fernseher kam mit als erster weg. Selbst jetzt, wo der Umzug durch ist, vermisse ich ihn nicht. Das war nur Gewohnheit.

Beim ganzen Ausmisten mussten wir auch entscheiden, was wir mitnehmen. Abends, wenn die Kinder schliefen, war für uns der Tag noch lange nicht um. Wir packten unsere Kisten, schrieben Briefe an Behörden oder recherchierten. Das Renovieren der Wohnung kam nachher noch dazu.

Es wurden circa 20 Kisten, die jeweils etwa 30 Kilogramm wogen. Die Letzte habe ich noch am Umzugstag gepackt. Die Kisten durften nicht kreuz und quer gepackt werden. Wir mussten die Vorschriften der DHL beachten und alles schriftlich dokumentieren. Der Zoll benötigt eine Deklaration aller verschickten Gegenstände. Eine Mühsal.

Mein Mann und ich, wir waren durch. Wir haben das alles alleine gestemmt, auch die Renovierung und den Umzug. Wir haben unsere Grenzen nicht nur ausgereizt, sondern überschritten und neue gesetzt. Unsere Gesundheit hat es uns spüren lassen, beide waren wir zeitweise taub aufgrund eines Hörsturzes.

Umso wichtiger war es, als Team zu agieren und nie das Ziel aus dem Blick zu lassen. Aufgaben teilten wir bewusst nach unseren Vorlieben auf. Wenn man etwas nur ungern tut, schiebt man dieses auf. Und Aufschieben war nicht drin. Termine wurden gesetzt und mussten eingehalten werden.

Worin wir in den letzten Monaten Meister geworden sind? Im Umschreiben von Plänen.

Wenn wir uns in einem Plan nicht wohlfühlten und es irgendwo drückte, wurde er umgeworfen bis es passt. So auch die 20 Kisten.

Die Last war zu groß. Wohin mit 20 Kisten voller Dinge, wenn wir in Uruguay noch keinen richtig festen Wohnsitz haben? Ja, für das erste Jahr haben wir ein kleines Ferienhaus gemietet. So müssten wir in einem Jahr nochmal packen. Die Last der Dinge war also zu groß, und wir reduzierten sie rigoros. Alle Kisten wurden nochmal aufgemacht und ausgemistet. Es wurden 10 daraus, davon 3 Bücherkisten. 2 weitere lagern wir für die nächsten Jahre erstmal bei der Familie.

Es tat weh. Gerade die ganze Arbeit doppelt zu machen und auch viele geliebte Dinge wegzugeben. Und auch dem Portemonnaie schmerzte es, denn es musste wieder ein Mietwagen her und das übrig gebliebene wurde gespendet.

Aber es war endlich getan und das tat gut. Ein Haken konnte auf der Liste gesetzt werden.

Ich rede hier von Umzug und vermutlich dachtest du an den nach Uruguay? Ne erstmal zur Familie. Zwei Wochen lang waren wir zu Gast, bis unsere Reise weiterging. Und ging alles wie geplant? Natürlich nicht. Wir haben wieder einige Pläne umgeschrieben.

Mehr dazu im nächsten Artikel.

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Eine Antwort zu „#6 Kisten über Kisten“

  1. […] Wisst ihr noch, wie energiesaugend das Packen war und wie wir schlussendlich alles wieder umgepackt und nur die Hälfte verschickt haben? (Wenn nicht, hier findest du den passenden Artikel) […]

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