Damit hätte ich nicht in der Art gerechnet. Vorstellungen hatte ich schon, aber nicht so.
So langsam wird es mir bewusst. Dies ist auch ein Grund, warum ich diesen Blog überhaupt verfasse.
Auswandern tut weh.
Wir verlassen nicht nur ein Land und die gewohnte Umgebung, sondern auch viele Menschen. Es sind Nachbarn, Bekannte, Kollegen und vor allem Freunde und Familie, die wir verlassen.
Macht es da einen Unterschied, wie weit wir wegziehen?
Jetzt ziehen wir auf einen anderen Kontinent. Das ist weniger erreichbar, mal so spontan zu Besuch, ist nicht mehr. Es ist ein Bruch in der Beziehung. Das verletzt.
Das verletzt nicht nur die, die gehen, sondern auch die, die bleiben.
Kommendes Weihnachten werden wir im engsten Kreis feiern, meine Kinder, mein Mann und ich. Sonst gibt es keine Vertrauten für uns in Uruguay. Keine weiteren Familienfeste, wo wir uns den Bauch vollschlagen und nachher darüber klagen. Kein lustiges Geschwätz im angesäuselten Zustand mehr, keine Umarmungen meiner Schwester , meiner Familie. Es wird anders sein. Auswandern tut weh.
Folgende Geburtstage und Jubilare werden wir verpassen, nicht dabei sein, obwohl wir noch da sind. Fotos und Videos ersetzten dies nicht. Häufiges Besuchen ist finanziell gar nicht möglich. Wir werden das meiste nur hören, nicht miterleben.
Ja, es war unsere Entscheidung, unser Weg, den wir gehen, für den wir uns entschieden haben… der Weg fühlt sich manchmal wie eine Sandgrube an, in der ich versinke durch meine Tränen.
Auswandern tut weh.
Die Konfrontation mit den Emotionen anderer erleichtert es leider nicht. Auch unterschwelliger Neid sowie Missgunst sind unsere Begleiter.
Wer würde uns gerne scheitern sehen?
Zurück nach Deutschland? Wirklich? Warum stellt man solch eine Frage? Wir treffen diesen Entschluss doch nicht aus einer Laune heraus.
Und auch nicht, weil unsere Kinder ein bestimmtes Alter haben. Wenn sie älter wären und sich die Welt genauso wie jetzt entwickeln würde, wären wir auch dabei, die Koffer zu packen. Das Alter spielt hier keine Rolle.
Meine Freundin hatte kürzlich eine interessante Frage gestellt, die mich bis jetzt noch beschäftigt: „Wann bist du in Deutschland wirklich angekommen?“
Zum Hintergrund: Mein Mann und ich, sowie einige aus unserem Bekanntenkreis, wurden ursprünglich in Kasachstan oder Russland geboren. Wir sind Spätaussiedler, wir haben deutsche Wurzeln.
Diese Frage hat sie nicht mir gestellt, sondern meinem Mann. Er kam erst mit 15 Jahren nach Deutschland. „Ich bin bis jetzt nicht angekommen.“ war seine Antwort. Aber auch in Kasachstan war er nicht wirklich zu Hause. Sie nahm dies als Beleg für ihre These, dass es nicht gut ist die Kinder in einem bestimmten Alter aus ihrer gewohnten Umgebung zu reißen.
Ich wiederum dachte mir: „Ich bin hier auch nie wirklich angekommen. Ich fühle mich hier fehl am Platz.“ Ich bin mit drei Jahren nach Deutschland gekommen und kann mich an meinen Geburtsort nicht erinnern. Dieser Gedanke blieb allerdings meiner.
Mein deutscher Name und auch die Tatsache, dass ich ohne Akzent spreche, hat keinen Unterschied gemacht, selbst im Kindergarten und Grundschule nicht, dass ich mit Vorurteilen meiner Herkunft belastet wurde. An eine Herkunft, an die ich mich nicht einmal erinnern kann. Dies soll aber nicht das Thema dieses Blogs sein.
Ich kann mich an Gedanken aus meiner Kindheit erinnern, wo ich grübelte, wie ich es schaffen könnte, dazu zugehören. Muss ich andere Kleidung tragen, anders reden, anders sein … als ich bin? Mit der Zeit wurde ich auch dazu, zu irgendjemandem. Waren es wirklich meine Entscheidungen, die ich für mein Leben traf? Ja. Es hätte aber mehr ICH darin stecken können. Meist habe ich mich lenken lassen, weil das Gefühl nicht genug zu sein, mich unentwegt verfolgte.
Erst mit etwa dreißig habe ich die Tatsache akzeptiert, dass ich mich nicht mehr verbiegen möchte. Gefühlt habe ich einige damit vor den Kopf gestoßen, die meinten mich zu kennen.
Aber wie kann mich jemand kennen, wenn ich es nicht ein mal tue? Passt es zu mir, dass ich mich lieber mit Hühnern beschäftige, als Finanzzeitschriften zu studieren?
Ich habe in den vergangenen Jahren versucht, Rollen abzustreifen, die ich angenommen habe, die verdecken, wer ich wirklich bin. Wer bin ich? Diese Frage kann ich vielleicht im hohen Alter beantworten. Jetzt folge ich meinem Herzen, der Verstand läuft mit, natürlich. Doch jetzt ist es Zeit, dass ich mich spüre und herausfinde, wer ich bin.
Wir ziehen um, nach Uruguay, ein fremdes Land mit fremder Kultur. Wir haben dort keine Freunde und Verwandte. Der Anker sind wir füreinander, mein Mann, unsere Kinder und ich. Vielleicht werden wir zum Anker, für diejenigen, die einen ähnlichen Weg in die Ferne einschlagen möchten.
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