Na, was macht mal wohl, wenn man in ein neues Haus kommt mit lediglich einem Koffer pro Person?
Einkaufen.
Hier mein ich nicht shoppen, sondern die Schaffung eines Grundvorrats im Haushalt. Denn wir sind zwar in ein möbliertes Haus gezogen, dennoch fehlten einige grundlegende Dinge, die man normalerweise immer daheim hat: Salz, Öl, Toilettenpapier, Trinkwasser … So mussten wir in den ersten Tagen mehrfach einkaufen, um alle Basics parat zu haben.
Vielleicht fragst du dich, warum wir dafür so lange gebraucht haben?
Tja, wir haben kein Auto. Am ersten Tag ist unser Einwanderungshelfer mit uns eine Runde zum Supermarkt gefahren und hat uns dabei noch die nötigsten Anlaufstellen in der Ortschaft gezeigt. Ich bin ihm dafür dankbar, denn die Kids waren schon sehr hungrig und auch ich werde biestig, wenn ich zu lange auf Essen verzichten muss.
Ich muss gestehen, ich war an diesem Tag unfassbar überspannt. Was rede ich da von Tag? Die ersten Wochen. Die Situation war so surreal, dass wir jetzt am anderen Ende der Welt leben. Jeden Tag musste ich es laut wiederholen: „Wir sind hier nicht im Urlaub. Das ist unsere neue Heimat.“
Piriapolis ist ein Touristengebiet und auch um uns herum stehen überwiegend Ferienhäuser. Einige wenige Nachbarn leben das ganze Jahr über in diesem Ort, doch die meisten Gebäude stehen außerhalb der Saison leer. So ist es hier herrlich ruhig und nur einen Katzensprung vom Strand entfernt.
Schon in Deutschland hatte ich mir einen Überblick mit Hilfe von Google Maps geschaffen, was alles in der Nähe unseres Wohnortes ist. Der Weg in die City schien nicht weit, sodass es scheinbar kein Problem für uns sein sollte, eine Weile ohne fahrbaren Untersatz auszukommen.
Tja, da habe ich mich wohl etwas verkalkuliert. Wir leben auf einem sehr hohen Berg. Die Aussicht auf den Atlantik ist atemberaubend. Und wenn ich das so sage, dann meine ich das so. Der Blick fasziniert mich bis heute.
Die Tücke auf einem Berg zu leben ist, dass man hinunter muss und dann wieder rauf. Mit Einkäufen und zwei kleinen Kindern im Gepäck, die, genau wie ich, keinen Bock haben auf den Aufstieg, ist der Weg doch sehr beschwerlich. Der Weg zu Fuß zum Supermarkt hat uns viel Zeit und Kraft gekostet.
Was sage ich da? „Hat“? Tut er immer noch. Wir haben bis jetzt noch kein Auto. Für den Hinweg mit den Kids haben wir etwa 45 bis 60 Minuten gebraucht. Das lag aber überwiegend an den ständigen Stopps. Wer selbst Mutter oder Vater ist, weiß, denke ich, wovon ich spreche^^.
So war es dann, dass wir fürs Einkaufen fast den gesamten Tag einplanen mussten. Für die ersten Wochen auch vollkommen ok, aber auf Dauer nicht möglich. Zudem konnten wir nicht zu viel auf einmal besorgen, da wir nicht so viel tragen können, wie auch bei der Sommerhitze und dem langen Heimweg einiges verderben kann.
Für die erste Zeit haben wir das so hingenommen und den Weg genossen. Wir sind an der Promenade entlang shoppen gegangen, haben Seelöwen getroffen, die sich immer am Hafen tummeln, sind Einheimischen begegnet, zahlreichen Straßenhunden et cetera. So konnten wir uruguayische Luft schnuppern und entschleunigen. Schließlich waren wir hier, um uns zu verändern.
Da wir in Uruguay ohnehin von null beginnen, können wir unsere Routinen auch direkt mit anpacken.
Mit der Zeit haben wir einen Schleichweg entdeckt, durch ein Waldstück und eine Wohnsiedlung. Der Weg dauert nur 25 Minuten. Allein bin ich diesen Weg bis jetzt nicht gegangen, da er doch zu viel Angriffsfläche bietet. So geht mein Mann meistens allein einkaufen, da er so viel schneller und auch in der Lage ist, die Einkäufe den gesamten Weg zu tragen.
Aufgrund dessen war es ein Muss geworden, den Alltag und auch unser Essverhalten durchzustrukturieren und zu planen. Zwar hatte ich bereits in Deutschland einen Essensplan gehabt, doch da hatte ich trotzdem zwischendurch immer mal in den Supermarkt gemusst, weil etwas fehlte. Die Disziplin fehlte mir, da ja alles immer da war.
So etwas ist jetzt einfach nicht drin.
Jetzt schreibe ich klar auf, was es den ganzen Monat über zu essen gibt und zweimal die Woche kauft mein Mann alle notwendigen Lebensmittel ein. Das Positive an dieser Situation ist nicht nur, dass wir weniger einkaufen und Unnötiges von der Liste streichen, sondern gelernt haben, uns zu organisieren, zu improvisieren und einfach bewusster zu leben.
Vieles ist nicht mehr selbstverständlich, wie es früher in Deutschland war. Wir mussten unser Konsum- und Essverhalten komplett auf Links drehen, sonst wären wir auf Dauer bankrottgegangen.
Lebensmittel, die wir in Deutschland immerzu gekauft haben und zum Alltag dazu gehörten, sind hier kostenintensiv. Ein winziges Glas Nutella kostet hier umgerechnet 15 Euro. Auch andere Schokoladenmarken sind nicht besonders erschwinglich. Süßes steht somit nur selten auf unserem Speiseplan. Wobei, ich spreche hier eher von gekauften Süßwaren. (Und nein, nur wegen Süßigkeiten geht man hier nicht Bankrott. Es ist nur ein Beispiel. Mehr Beispiele folgen im Laufe der nächsten Artikel.)
Ich mache sehr viel selbst: Schokoladenbutter, gezuckerte Kondensmilch, Erdnussbutter, Marmeladen, Kuchen, Torten, Pfannkuchen, Milchbrötchen, Hörnchen, Pralinen, Plätzchen, Kräcker, Laugenstangen …. Natürlich nicht alles auf einmal – das, worauf wir gerade Lust haben.
Das schmeckt keinesfalls nach Verzicht. Es ist jedes Mal ein Genuss, noch mehr, als wenn wir es einfach kaufen würden. Schließlich steckt Arbeit und Zeit dahinter, sowie ein gutes Stück Geduld.
Geduld? Ja und Vorfreude. Wenn die Kinder schon vor dem Backofen sitzen und warten, bis die frischen Brötchen fertig sind, geht mir das Herz auf.
Der Überfluss und die Übersättigung sind weg. Wenn ich mich an unsere Süßigkeitenkiste in Deutschland erinnere – da war alles drin und doch hatte ich meist Appetit auf etwas anderes. Vieles aus der Kiste ist im Nachgang im Müll gelandet.
Wenn ich jetzt Heißhunger verspüre, dann zügele ich mich und übe mich im Verzicht, oder ich verschaffe mir einen Überblick über die Dinge, die wir dahaben, und zaubere uns etwas Leckeres. Viele Rezepte habe ich so nach Gefühl abgewandelt und die Lebensmittel verwendet, die gerade im Haus waren. Mittlerweile habe ich ein gutes Händchen dafür entwickelt, was gelingen wird und was nicht. Das alles mit den einfachsten Mitteln. Denn so viele Küchengeräte, wie ich in Deutschland besaß, besitze ich hier bei Weitem nicht. Nicht einmal der Mixer steht im Regal, ich knete Kuchen und Brote nur mit den Händen.
Es klappt optimal. Die erste Zeit, bis unsere Kisten aus Deutschland ankamen, wog ich für unser Brot auch alle Zutaten nach Gefühl und ohne Rezept ab. Die Wage sowie die Rezeptbücher waren noch unterwegs und ich habe sie sehr vermisst, bis ich sie nicht mehr gebraucht habe. Faszinierend, wie wenig man wirklich benötigt. Einiges musste ich improvisieren, ausprobieren und neu machen.
Doch für diese Zeit bin ich sehr dankbar.
Das hat mich dazu bewegt, Dinge anders zu machen. Ein Schalter hat sich bei mir umgelegt, sodass ich viel mehr begonnen habe zu hinterfragen, in Bezug auf Lebensmittel, Essverhalten, Konsumgüter, aber auch dem Leben selbst. Immer häufiger stelle ich mir die Frage: „Geht das auch anders?“
Mehr dazu im nächsten Artikel.
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