Mit den Wochen und Monaten verging das Urlaubsgefühl, auch wenn mein Verstand bis jetzt nicht begreifen kann, welches Glück ich habe, an solch einem wundervollen Ort leben zu dürfen. Einige Dinge bringen mich jedes Mal aufs Neue zum Staunen: die Weite des Ozeans, die wunderschönen Strände, die Blumen sowie Vögel, die alle Farben des Regenbogens enthalten, und natürlich auch die Menschen, die dieses Land bevölkern.
Doch wie du es jetzt vielleicht schon ahnst, hat unser Paradies einen, na ja, mehrere Dämpfer erhalten. Auch die erste Zeit war nicht leicht, ganz neu in einem fremden Land. Doch ich fühlte mich eher wie ein Tourist als ein Bewohner. Nach etwa vier Monaten kam der erste Realitätscheck.
Einer dieser Dämpfer waren unsere Finanzen. Monatlich erhalten wir ein Fixum aus Deutschland, von dem wir alle Basiskosten decken können. Alle zusätzlichen Einnahmen, durch meine Selbstständigkeit und die Arbeit meines Mannes, sollten in ein Auto fließen sowie in die Spardose für unser Grundstück und Haus.
So der Plan. Wir haben mit der Zeit viele Pläne gemacht und sie wurden regelmäßig über den Haufen geworfen, von uns selbst oder durch andere. Und unsere Finanzen wurden gehörig durchgemischt.
Schließlich wurde sogar unser monatliches Fixum gekürzt, sodass wir gezwungen waren, einige Gewohnheiten schneller zu ersaufen als geplant. Das meiste Geld geht für die üblichen Lebenshaltungskosten drauf: Miete und Nebenkosten, Essen, Hygieneprodukte, Taxi und Bus sowie sonstige Kleinigkeiten. Die hohen Summen, die wir in Deutschland monatlich für allerlei Abos und Versicherungen ausgegeben haben, sparen wir uns hier, wie auch die Nebenkosten für das Auto.
Unsere Ausgaben mussten gut strukturiert und an einigen Enden gekürzt werden. Doch dafür mussten wir erst herausfinden, wofür wir wie viel ausgeben. Netflix und andere kleine Abos mussten sofort dran glauben. An der Miete und den Nebenkosten lässt sich nur in dem Sinne etwas ändern, indem man auf den Verbrauch von Wasser, Strom und Gas achtet. Beim Thema Essen und Hygieneprodukte sind wir etwas radikaler vorgegangen.
Das Trainingslager konnte starten, doch schon der Start gefiel mir nicht. Warum? Es schmerzt, sich in Dingen einzuschränken, die das ganze Leben immer unendlich zur Verfügung waren. Ja, klar, das war unsere bewusste Entscheidung, dass wir als Selbstversorger in Uruguay leben möchten. Und wenn wir das tatsächlich so durchziehen möchten, ist es an der Zeit für mich zu lernen, was zum Überleben wirklich wichtig ist und welche Dinge nur Gewohnheit sind.
Offen gestanden dachte ich, dass wir mit diesen vielen Änderungen erst beginnen, wenn wir auf unserem eigenen Selbstversorgerhof leben. Doch da hat wohl jemand meinen Plan gekannt und die Termine verschoben. Die Realität stand vor der Tür und hat geklopft. Die Umsetzung musste bereits jetzt folgen, und das hat viel Energie und Durchhaltevermögen gefordert. Da begann nach der Urlaubsphase eine harte Schule.
Wir begannen, alle Ausgaben akribisch aufzuschreiben. Anhand dessen hatten wir einen Überblick, welches Budget wir wofür benötigen und wo die Geldfresser stecken. Eigentlich schäme ich mich, dass ich das erst mit Anfang dreißig mache … das hätte schon lange erledigt werden müssen.
Zugegebenermaßen gibt es viele Dinge, die ich in meinem Leben immer und immer wieder vor mir hergeschoben habe, die mich gerade hier in Uruguay eingeholt haben. Ein richtiges Trainingslager. Ich glaube, ich habe in dem vergangenen Jahr mehr gelernt als in den letzten 15 Jahren.
So und nun ans Eingemachte. Ich habe mir folgende Fragen gestellt:
Muss ich diese Produkte kaufen, nur weil ich es immer tat oder kann ich sie mit anderem ersetzen und vielleicht sogar komplett abschaffen? Welche Dinge schaden meiner Familie und mir und welche kann ich selbst machen?
Viele Produkte kaufen wir nicht mehr und ersetzen sie wie folgt:
Alufolie und Zip-Beutel | Dosen, Schraubgläser oder die alte Verpackung mit einem Gummiband oder Klammer verschließen |
Küchenrolle | Lappen und Handtücher |
Taschentücher | Klopapier tut es genauso. |
Backpapier | Dauerbackfolie |
Allerlei Cremes | Kokosöl |
Duschgel | Kernseife |
Shampoo und Spülung | Natron und Essig |
Waschmittel | Essig bei leicht verschmutzter Wäsche |
Staubsauger | Besen |
Spülmaschine | Hände |
Katzenstreu | Pellets mit etwas Natron gegen den Geruch |
Aufschnitt und Wurst | Selbstgemachte Aufstriche |
Joghurt | Mache ich selbst aus Vollmilch |
Frischkäse | Mache ich auch selbst aus Vollmilch, Salz und Essig |
Brot, Brötchen | Backe ich schon seit Jahren selbst |
Süßigkeiten | Honig oder selbstgemachte Marmelade, Schokoladenbutter. Ich backe Kekse, Kuchen oder mache Pudding selbst |
Allerlei Reinigungsmittel | Essig, Spülmittel, Scheuermilch |
Brennholz | Selbst Altholz sägen |
… | |
Und vieles mehr |
Zeitweise haben wir auch ganz auf Fleisch verzichtet. Stattdessen habe ich die Mahlzeiten so geplant, dass mehr Hülsenfrüchte enthalten sind. Auf eine ausgewogene Ernährung verzichten wir nicht.
In unseren Speiseplan kam dann auch endlich Struktur rein. Denn ich musste die Gerichte ausgewogen planen und trotzdem das Budget so gering wie möglich halten. Mal zwischendurch zum Supermarkt, kostet nicht nur viel Zeit, sondern auch wieder Geld für Taxi oder Bus. So habe ich einen Monatsplan erstellt und passend dazu einen wöchentlichen Einkaufszettel. Das hat Monate gedauert, bis es einigermaßen gepasst hat. Denn wenn es zum Einkaufen ging, stand häufig wieder viel zu viel auf der Liste, sodass ich erneut die Pläne umschreiben musste. Harte Schule, sage ich euch.
Das Einkaufen übernimmt immer mein Mann. Zum einen ist er in der Lage, sich auch wirklich an die Liste zu halten, im Gegensatz zu mir, zum anderen müssen die Sachen nach Hause getragen werden. Zudem hat er die Finanzen genau im Blick und kann dann entscheiden, ob die Limo noch gekauft wird oder nicht. Mit der Zeit hat er ein Gefühl für die Preise hier in Uruguay bekommen und wo man günstiger und besser einkaufen kann. Vieles haben wir begonnen, auf dem Wochenmarkt zu kaufen. Dort werden an vielen Ständen allerlei Produkte aus Brasilien verkauft. Die Produkte sind dort um ein Vielfaches günstiger als hier in Uruguay, und die Landesgrenze liegt weniger als 300 Kilometer entfernt. Somit kommen viele unserer Produkte aus Brasilien.
Na ja, die Produkte aus dem Supermarkt sind häufig auch aus Brasilien, kosten aber das Drei- oder Fünffache. Wie das Ganze zustande kommt, will ich hier nicht thematisieren.
Die ersten Wochen waren anstrengend. Doch mit der Zeit hat sich bei mir eine Tür im Kopf geöffnet und dort war eine Rolltreppe. Es lief und es wurde viel einfacher. Ich konnte dann auch die positiven Aspekte erkennen:
Es wurde viel weniger weggeschmissen. Das Essen im Allgemeinen wurde viel mehr wertgeschätzt als vorher, da es nicht immer alles gab. Und wenn es dann mal wieder Bockwürstchen oder Schokolade gibt, dann ist die Freude groß über solche scheinbar einfachen Dinge. Auch die paar Gramm, die ich immer zu viel hatte, sind so zügig weggegangen, da ich abends nicht mehr diesen Essdrang stillen konnte. Sonst habe ich abends gerne die Süßigkeiten gefuttert, vor denen ich meine Kinder bewahren wollte. Das fiel dann weg. Wobei es doch vorkommt, dass ich mir eine Portion Kaiserschmarrn mache, wenn die Kinder im Bett sind.
In diesen Monaten habe ich mich sehr verändert. Der Drang, dass ich mir einfach etwas kaufe, wenn ich es will, wurde immer kleiner. Die meisten Dinge benötige ich nicht mehr. Klar wäre unser Alltag mit einer Spülmaschine oder einem Auto einfacher, aber es geht auch ohne. Ich möchte nicht mehr, dass sich mein Leben um Gegenstände dreht, die mich zu sehr einnehmen. Sie zu besitzen hat mich nicht glücklicher gemacht, auch wenn ich es oft in meinem Leben gedacht habe. Jetzt sehe ich, dass ich ohne sie auch nicht unglücklicher bin. Mein Leben dreht sich nicht mehr um die Bewahrung von Habseligkeiten. Schlichtweg hat mich etwas dazu gebracht, meinen Betrachtungswinkel zu ändern.
Zuerst war es schwierig für mich und ich habe sehr unter diesen Einschränkungen gelitten, aber jetzt sehe ich, wie mir der Verzicht gutgetan hat. Es hat mich neu geformt. Dafür bin ich unfassbar dankbar. Gib mir mehr davon!
Da, wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein.
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