Was bedeutet es, als Selbstversorger auf einem Bauernhof zu leben?
Das ist nicht einfach so, sondern es erfordert Einsatz, Arbeit und neues Wissen. Gerade wenn man zuvor im konsumstarken Europa gelebt hatte, wo es einfacher war, Dinge zu kaufen, als sie selbst zu erzeugen. Doch wenn du dich entschließt, überwiegend autark auf und von deinem eigenen Land und deinen Tieren zu leben, musst du dich verändern.
Bereits in Deutschland habe ich damit begonnen, darauf zu achten, welche Produkte ich wirklich kaufen muss und welche ich selbst herstellen kann, oder gar nicht brauche.
Dadurch kam ein Prozess in Gang, der hier in Uruguay richtig Fahrt aufgenommen hat. Denn bei unserem Umzug haben wir kräftig ausgemistet und nur das Nötigste mitgenommen. So kam es dann auch, dass ich zum Beispiel beim Kochen und Backen viel improvisiert habe. Eigene Rezepte sind dadurch entstanden und viele Rezepte, die ich in Deutschland häufig genutzt habe, sind in der Tonne gelandet. Aus dem Grund, dass schlichtweg die Kosten für einige Lebensmittel in diesem Land zu hoch sind oder mir die notwendigen Geräte fehlen. Und Kostenersparnis ist hier bei uns ein großes Thema geworden.
Der nächste Schritt für mich war es, ein neues Handwerk zu lernen, welches für die Selbstversorgung nützlich ist. Die Auswahl lag bei Nähen, Stricken oder Häkeln. Ich wählte das Nähen, da ich hier am schnellsten und effektivsten etwas Neues schaffen kann.
Tja, dafür fehlte mir nur die Nähmaschine.
Ich durchsuchte das Internet nach Angeboten und erkundigte mich über die unterschiedlichen Maschinentypen. Erschwinglich sind die Preise leider nicht, zumindest war es für uns zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, eine neu zu kaufen.
Ich begnügte mich also zuerst einmal damit, Videos über dieses Handwerk online zu schauen und mir Wissen anzueignen. Schade eigentlich, dass sich nicht schon vor Jahren die Neugier zum Nähen entwickelt hat. Meine Mutter ist Schneiderin und ich hätte viel aus erster Hand lernen können. Jetzt muss ich bedauerlicherweise den anstrengenderen Weg gehen und mir alles selbst beibringen. Ohne eigene Nähmaschine wird ohnehin alles vorerst Theorie bleiben.
Wäre da nicht jemand Gutes, der zuhört …
Beim zweiten Frauenfrühstück war ich wieder voller Elan dabei. Diesmal hatte ich mir sogar die Bibel meines Mannes geschnappt und musste so nicht mehr bei jemand anders mitlesen. Zum Ende unseres gemütlichen Beisammenseins fragte mich die Gastgeberin, ob ich auch eine eigene Bibel besäße, da sie mitbekommen hatte, dass diese von meinem Mann war.
Leider nicht. Ich sagte bereits in einem anderen Artikel, dass ich mir sehr eine eigene wünschte.
Mit meiner Aussage „Leider nicht.“ War sie gar nicht einverstanden. „Jeder braucht eine eigene Bibel zum Lesen“, sagte sie. Und sie schenkte mir eine, eine Elberfelder Studienbibel, die ich auch haben wollte! Ich war baff und glücklich. Zudem meinte die Gastgeberin im folgenden Satz, dass wir gerne zusammen eine Schutzhülle für die Bibel nähen können.
In dem Moment platzte es aus mir heraus: „Genau das wollte ich als Nächstes lernen: Nähen!“ „Hast du denn eine Nähmaschine, um es zu lernen?“, fragte sie mich zurück. Die hatte ich natürlich nicht, aber sie schon. Sie hatte eine übrig, die sie ohnehin abgeben wollte. Eine deutsche Einwanderin, die wieder zurück nach Deutschland ging, ließ sie in Uruguay zurück, weil kein Platz mehr im Gepäck war.
Ich konnte vor Staunen nur noch lachen!
Ich erzählte den Frauen am Tisch, dass ich schon länger mit einer Nähmaschine liebäugle, aber mir einfach keine neue kaufen konnte. Jetzt bekomme ich einfach eine geschenkt und kann Gott dafür nur danken!
Er hat mich wieder erhört und mich beschenkt, mit einer deutschen Bibel und einer Nähmaschine. Halleluja!
Einige Tage später versuchte ich mich an dem neuen Handwerk und schaute mir die Funktionsweisen der Nähmaschine an. Ich stellte zügig fest, dass mir etwas fehlt. Ich habe keine Stoffe, an denen ich ausprobieren kann. Alte Kleidung hatten wir zu diesem Zeitpunkt nicht, da alles Überflüssige in Deutschland geblieben ist.
Also packte ich mein Geschenk wieder ein und sprach zu Gott. Ich dankte ihm für sein Geschenk, doch ich wusste nicht, wie ich weitermachen soll. Ich konnte es nicht ausprobieren ohne Stoffe zum Üben. Neue Stoffe zu kaufen, um das Nähen zu testen, ist auch unsinnig und Geldverschwendung. Also sagte ich zu Gott: „Wenn es dein Wille ist, dass ich lerne zu nähen, dann brauche ich Stoffe zum Üben.“
Habe ich schon einmal erwähnt, dass Gott hört, egal wie klein deine Belange scheinen?
Die Tage und wenige Wochen vergingen und die Nähmaschine lag weiterhin verpackt im Schlafzimmer. Ich beschloss, mich einer anderen Selbstversorger-Beschäftigung zu widmen: dem Einkochen. Fast alle meine schönen Einkochgläser sind leider auch in Deutschland geblieben, gut verstaut im Keller meiner Schwiegermutter. Daher hatte ich einfach nicht mehr solch einen großen Bestand. Ich beschloss beim folgenden Frauenfrühstück in die Runde zu fragen, wer passende Gläser übrig hat oder weiß, wo man gute und günstige kaufen kann.
So kam dann auch der Morgen, an dem wir Frauen wieder alle gemütlich in der Runde saßen und über die Details der Stiftshütte sprachen. Ich genoss die Treffen immer wieder, obwohl ich so gut wie nichts Wissenswertes beitragen konnte. In diesen Momenten war ich wie ein Schwamm, der alles aufsog.
Zum Ende hin hatte ich sogar meine Frage zu den Einkochgläsern vergessen, bis eine Frau vor dem Haus ihren Kofferraum öffnete und kistenweise alte Einkochgläser präsentierte.
Ich schlug kräftig zu und war so euphorisch! Aus Spaß sagte jemand zu mir: „Du wirst scheinbar richtig beschenkt! Gibt es denn noch etwas, was du brauchst?“ „Ja. Ich habe jetzt eine Nähmaschine, aber keine Stoffe, um zu üben!“ Still und langsam dreht sich die Frau mit den Gläsern herum und reicht mir eine Kiste mit Stoffresten.
Diesmal lachte nicht nur ich! Ich fühlte mich beschenkt, wie an meinem Geburtstag.
Klar, das waren alles gebrauchte Gegenstände, die jemand anders ausgemistet hat. Aber genau diese Dinge habe ich gerade gebraucht. In den vergangenen Monaten habe ich viele Sachen zu schätzen gelernt.
Wir leben nicht mehr im europäischen Luxus, im massenhaften Überfluss. Wir leben immer noch im Überfluss, gerade wenn ich sehe, wie viel weniger die meisten Einheimischen haben. Erst kürzlich hat mein Mann in der Schule unseres Sohnes mehrere Kinder beobachtet, wie sie aus der Schulküche etwas geklaut und heimlich auf der Toilette gegessen haben. Sie haben sich benommen, als hätten sie einen Schatz gestohlen. Sie haben eine Orange geklaut.
Diese Wertschätzung für Obst, hat mich gerührt. Und es ist mir schon mehrfach aufgefallen. Ich bin davon überzeugt, dass eindeutig weniger Kinder hier, so übertrieben nörgelig beim Essen sind, weil sie froh sind, Essen zu haben.
Ich habe hier in Uruguay die Dankbarkeit für die elementaren Dinge des Lebens wiedergefunden. Einen materiellen Mangel kannte ich früher nicht. Hat mir etwas gefehlt, habe ich es mir sofort gekauft, entweder bequem bei Amazon oder im nächsten Laden. Und auch dafür bin ich unfassbar dankbar. Doch ich sehe, dass ich diese Massen nicht brauche und erst recht meine Kinder nicht.
Und ich bin dankbar für die Bibel, die mittlerweile tatsächlich einen Umschlag braucht, da regelmäßig in ihr gelesen wird. Ich bin dankbar für die Nähmaschine, mit der ich mir jetzt sogar selbst Kleidung nähe. Ich bin dankbar, hier ein anderes Leben kennenzulernen und zu leben. Ich bin dankbar, dass ich dieses Leben mit Gott zusammenleben kann, der mich liebt, leitet, beschützt und beschenkt, wie ein richtiger Vater. Mein Papa.
Und wisst ihr, ich habe von unserem eigenen Bauernhof schon mehrfach geträumt, aus unterschiedlichen Perspektiven. Ich freue mich schon darauf, dieses Geschenk auszupacken.
Gerne werde ich euch davon berichten.
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